Der Siegeszug der additiven Fertigung, auch allgemein als 3D-Druck bezeichnet, hat die Aura einer industriellen Revolution. Auch im Bereich der industriellen Fertigung bewegt diese Technologie die Gemüter. Selbst in der Automobilindustrie und im Flugzeugbau ist der 3D-Metalldruck nicht nur im Prototypenbau sondern auch in der Serienproduktion angekommen. Wird die klassische Zerspanung damit ersetzt? Welche Auswirkungen hat dies auf die Werkzeugmaschinenindustrie?
Fundierte Antworten auf diese Fragen können nur durch eine sachliche Betrachtung der Anforderungen in der Fertigungsindustrie gefunden werden. Besonders die Branchenexperten sind hier gefragt.
So trafen sich zum Beispiel am 4. Juni 2019 in der Stadthalle Tuttlingen 180 Teilnehmer zum „3. Innovation Forum für Zerspanungstechnologie“, um unter Anderem auch über diese Fragen zu diskutieren. Prof. Konrad Wegener, Institutsleiter an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH), brachte das Verhältnis von additiver (3D-Druck) und subtraktiver Fertigung (Zerspanung) mit dieser Aussage auf den Punkt:
„Die additiven Fertiger denken, dass die Teile automatisch fertiggestellt aus der Maschine kommen. Dem ist aber nicht so“, so Wegener. Präzisionsteile erhalten oft erst durch die Nachbearbeitung funktionale Oberflächen und geometrische Genauigkeit. Die Lösung sei dann oft eine Kombiproduktion aus beiden Verfahren. So entstehe ein Hybridbauteil. IHK-Präsidentin Birgit Hakenjos-Boyd fasste die ausgiebigen Diskussionen so zusammen: „Ich bin mir sicher, dass unser Know-how in der Präzision künftig mehr denn je gefragt sein wird. Zerspanen bleibt die maßgebliche Fertigungstechnologie.“
Zu ähnlichen Schlussfolgerungen kam bereits eine wissenschaftliche Studie des VDW aus dem Jahr 2016. Trotz des rapide wachsenden Anteils der additiven Fertigung wird die von vielen prognostizierte „Revolution in der Metallbearbeitung“ vorerst ausbleiben. Das wichtigste Ergebnis:
Trotz des jährlichen Zuwachses von rd. 40 % für die additiven Verfahren werden weniger als ein Prozent der bestehenden Fertigungstechnologien durch additive Verfahren ersetzt. Und das gelte zumindest für die kommenden fünf bis sieben Jahre. Somit kann man nicht von einer radikalen Veränderung der Werkzeugmaschinenbranche sprechen sondern von leichten Verschiebungen durch eine Komplimentärtechnologie.
Das größte Hemmnis des Additive Manufacturing (AM) liegt bei den Kosten und der Bearbeitungszeit, wenn es um größere Stückzahlen und große Bauteile geht. Ein weiteres Defizit von AM ist die immer noch eingeschränkte Werkstoffauswahl sowie Oberflächenqualität und geometrische Präzision. Andererseits punktet die AM beispielsweise bei Leichtbaustrukturen in der Flugzeugindustrie, bei komplexen Hohlraumkonstruktionen, bei Hinterschnitten, etc. Auch wird kein Arsenal an verschiedensten Werkzeugen gebraucht. Dadurch können ggf. auch in der Mittel- und Großserienfertigung Kostennachteile der AM aufgehoben werden. Zu einer unbestrittene Domäne des 3D-Drucks wurde inzwischen der Prototyenbau, das sogenannten Rapid Prototyping.

Somit ist abzusehen, dass sich die AM in den kommenden Jahren zu einer wichtigen Komplimentärtechnologie zur spanenden Fertigung entwickeln wird. Bedeutsam können beispielsweise auch hybride Anlagen werden, wo AM und konventionelle Zerspanung zu einer Symbiose zusammenwachsen. So kann zum Beispiel das Laserauftragsschweißen in konventionelle Maschinenkonzepte wie Bearbeitungszentren eingebunden werden.
Es geht also nicht um die Frage des „entweder oder“ sondern um das „sowohl als auch“. Die Branchenmitglieder der sogenannten subtraktiven Fertigung sind also gut beraten, die rasante Entwicklung in der 3D-Drucktechnologie im Bereich der industriellen Fertigung sehr wachsam im Auge zu behalten und diese nicht als Gefahr sondern als Chance zu neuen Möglichkeiten zu sehen.
Ein wichtiger Branchentreff der AM ist die Messe Formnext, die Weltleitmesse für Additive Fertigung in Frankfurt a.M. Die Messe hatte in 2019 einen Zuwachs von 17 % bei den Ausstellern und von 35 % bei der Ausstellungsfläche. Das allein zeigt die Wachstumsdynamik dieser Branche.
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